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Für mich wird gebetet

In Südafrika ist die Kirche und der Glaube definitiv präsenter und wichtiger als in Deutschland.

Jedoch ist meine Gastfamilie da schon noch ein Extrem im Vergleich zu den meisten anderen Menschen, die ich dort bisher kennengelernt habe. Das liegt vor allem daran, dass wir nicht in eine ganz normale Kirche gehen - sondern in eine 'Holly Spirit' Kirche, die sich auf die Apostelgeschichte beruft. Dadurch, dass mein Gastvater der Pfarrer dieser Holly Spirit Gemeinde ist, hat die Kirche bei uns noch einmal einen ganz besonderen Stellenwert.

 

Eine der Besonderheiten dieser Glaubensrichtung ist, dass nicht jeder die Fähigkeit hat, zu beten, sondern, dass es eine Gabe Gottes ist. Mein Gastvater hat scheinbar diese Gabe des Betens. Wenn er jemanden berührt und/oder für ihn betet, verändert Gott dessen Leben. Manchmal treibt er auch Dämonen aus den Menschen, für die er betet. Dabei fallen diese dann in Ohnmacht oder fangen an zu heulen, schreien oder übergeben sich.

 

Jedenfalls hat mich mein Gastvater Anfang letzter Woche gefragt, warum ich im Gottesdienst nie nach vorne komme, wenn er für Menschen betet. Da ich die ganze Geschichte ein bisschen einschüchternd und unheimlich finde, habe ich ihm einfach gesagt, dass es keinen Grund gebe, für mich zu beten – ich sei einfach gerade glücklich und zufrieden mit allem. Blöderweise ist der irgendwie von meiner Brille besessen und meinte dann, er würde für meine Augen beten, dass ich die Brille nicht mehr brauche.

 

Diese Woche Mittwoch bin ich dann also nach vorne gegangen, damit er für
mich beten konnte. Dabei stehen dann immer so ca. 20-40 Gläubige (es
kommt drauf an, wie viele Leute ein Gebet wollen) in einer Reihe und heben
ihre Hände, als würde jemand mit einem Gewehr auf sie zielen. Die Frauen
bekommen dann ein blaues Tuch umgebunden. Dann wird geschaut, dass
man mit der Fußspitze an die Wand einer Treppenstufe stößt. Wenn all diese
Kriterien erfüllt sind, fängt der Pfarrer an, die Hand auf die Stirn oder
manchmal auch auf die Haare oder Beine/ Arme (dort wo derjenige gerade
Probleme hat) zu legen und betet dann für denjenigen. Dabei schweigt er
und schaut die ganze Zeit nur in die Gemeinde.

Bei mir war es dann so, dass ich meine Brille ausziehen musste und er seine

Hand auf meine Augen und meine Stirn gelegt hat. Dann hat er leicht an
meinem Kopf gezogen, so dass ich mit meinem Körper immer weiter nach
vorne gegangen bin - nur konnte ich ja keinen Schritt nach vorne machen,
weil da ja die Stufe war. Dann hat er meinen Kopf nach hinten gedrückt und
dadurch bin ich ziemlich ins straucheln geraten.

Aber ich bin nicht in Ohnmacht gefallen. Er wollte, glaube ich, allen zeigen,
dass er auch eine Europäerin in Trance versetzen kann. Also hat er mir noch
mal die Hand aufgelegt, aber dieses Mal wusste ich bereits, was auf mich

zukommt. Das Ende der Geschichte ist, dass mein Gastvater ziemlich enttäuscht ist, dass ich noch immer meine Brille brauche.

Ich bin hingegen eher erleichtert, dass es in meinem Glauben anders ist und vor Gott alle gleich sind. Es gibt eben nicht Menschen, die mehr wert sind als andere und deswegen so eine Gabe von Gott bekommen.

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21.10.2018; Kirche mit Eingangen und Essensverkauf

21.10.2018; Kirche

Kathi and the Elephants

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